Wie eine Schale – oder die wichtigen Dinge des Lebens

Predigt zur feierlichen Kinderkommunion 2007

Eines Tages trat ein Philosophieprofessor vor seine Studenten, zog einen großen Glaskrug unter seinem Pult hervor und stellte ihn vorsichtig vor sich hin. Dann holte er etwa ein Dutzend Kieselsteine hervor, etwa so groß wie Tennisbälle, und legte sie sorgfältig einen nach dem anderen in den großen Krug. Als der Krug bis an den Rand gefüllt war und kein weiterer Kieselstein mehr darin Platz hatte, blickte er langsam auf und fragte seine Schüler: „Ist dieser Krug voll?“ – Und alle antworteten: „Ja.“
Er wartete ein paar Sekunden ab und fragte seine Schüler: „Wirklich?“ Dann holte er unter dem Tisch einen mit Kies gefüllten Becher hervor. Sorgfältig verteilte er den Kies über die großen Kieselsteine und schüttelte vorsichtig. Der Kies verteilte sich zwischen den großen Kieselsteinen bis auf den Boden des Kruges.
Der Professor blickte erneut auf und fragte: „Ist dieser Krug voll?“ Diesmal wurden seine Schüler vorsichtiger und einer antwortete: „Wahrscheinlich nicht.“ „Gut,“ meinte der Professor und holte einen Eimer mit Sand hervor. Vorsichtig kippte er den Sand in den Krug. Und der Sand füllte die Räume zwischen den großen Steinen und dem Kies aus.


„Ich habe euch dieses Experiment vorgeführt, um euch ein Gleichnis unseres Lebens zu erzählen,“ meinte er. „Ich hoffe, ihr lernt daraus: So ist es mit unserem Leben. Die großen Steine sind die wichtigen Dinge unseres Lebens – eure Familien, eure Partner, die Gesundheit, die Kinder. Geschenke, die euer Leben ausfüllen würden, auch wenn alles andere verloren ginge. Die kleinen Kieselsteine sind alle anderen Dinge wie Arbeit, der Beruf, das Haus oder das Auto. Der Sand ist alles andere materielle Beiwerk im Leben. Was wir aus diesem Experiment lernen können, ist folgendes: Wenn man die großen Kieselsteine nicht als erstes in den Krug legt, werden sie später niemals alle hineinpassen. Dasselbe gilt für euer Leben. Wenn ihr alle Energie und Zeit für die Nebensächlichkeiten des Lebens verschwendet, werdet ihr nie Platz haben für die Dinge, die wirklich im Leben wichtig sind.
Achtet also auf die Dinge, die wirklichen Wert im Leben haben. Spielt mit euren Kindern. Nehmt euch Zeit für eueren Partner und euere Freunde. Achtet auf die Gesundheit. Dann ist immer noch genügend Zeit und Kraft da für die Arbeit, für das Haus und alle möglichen Dinge.
Fragt euch, was sind wirklich die ersten Steine, die ich in meinen Lebenskrug lege, die wichtigen Dinge im Leben. Setzt dafür Prioritäten. Der Rest ist Sand!“

Ich bin überzeugt. Die Studenten des Professors haben in ihrem späteren Leben viel Wissensstoff, den sie gelernt haben, vergessen. Aber dieses Lebensgleichnis von den Steinen, dem Kies und dem Sand nie! Die wichtigsten Dinge im Leben sind die Beziehungen zu den Menschen. Das wollte der Professor als seine wichtigste Botschaft und Lebenserfahrung an die Studenten weitergeben. Alles andere ist nur Beiwerk oder Sand. Und er warnte die jungen Menschen davor, sich das Leben mit materiellen Dingen vollzustopfen, da dann der Kopf und das Herz so davon besetzt sind, dass für die wichtigen Dinge des Lebens wenig Platz mehr ist.

Schon lange vor der Zeit dieses Professors kam ein wissenshungriger Mann eines Tages zu Jesus und fragte ihn: „Was sind denn die wichtigsten Dinge im Leben. Wie kann ich im Leben glücklich werden?“ Und Jesus gibt eine kurze Antwort: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft, und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Auch Jesus ist überzeugt: Die wichtigsten Dinge im Leben sind die Beziehungen. Und Jesus setzt noch vor die Beziehungen zu den Menschen an die erste Stelle noch eine andere Beziehung, die Beziehung zu Gott. Diese beiden Beziehungen sind seiner Meinung nach das Wichtigste im Leben. Die Beziehung zu Menschen gibt dem Leben Sinn und die Beziehung zu Gott Halt.

Liebe Kinder, ganz unscheinbar hat euch in der Kommunionvorbereitung diese kleine Schale begleitet. Ihr habt sie an manchen Sonntagen leer nach vorne zum Altar getragen. Eure 22 Namen sind darauf verewigt. Diese Schale ist ein Bild für euer Leben. Sie drückt aus: Ihr seid im Leben für vieles offen. Vieles wird in euch hineingelegt. Vieles nehmt ihr bereitwillig in euch auf. Vieles wünscht ihr euch, vieles fasziniert euch und macht euch Kopf und Herz voll.


In dieser Schale werden heute 22 kleine Scheibchen weißes Brot zum Altar getragen. Es wird der Segen darüber gesprochen und jedem von euch wird als Zeichen der Gegenwart und Nähe Jesu in eure Hand gelegt, die ihr beim Kommunionempfang als offene Schale formt. Dieses kleine Stück Brot aus der Schale will euch sagen: Vergiss in deinem Leben nicht die Beziehung zu Jesus. Reserviere in deinem Leben für diese Beziehung einen wichtigen Platz. Stopf nicht alles mit allen scheinbar so wichtigen Dingen voll, sonst bleibt dafür kein Platz.
Wenn ihr mich fragt, wie kann man dies heute bei den vielen Dingen die angeboten werden überhaupt noch schaffen, so kann ich nur einen ganz altmodischen Rat geben: Nur durch große Disziplin. Nimm dir jeden Tag ein paar Minuten Zeit für diese Beziehung im Gebet, nimm dir jede Woche eine Stunde Zeit für sie im Gottesdienst, und nimm die Klopfzeichen von ihm im Leben ernst, wenn er dir manchmal mitten am Tag an deine Lebenstür klopft und in den Sinn kommt. Und denk manchmal daran: Die wichtigsten Steine im Leben sind die Beziehung zu lieben Menschen und die zu Gott. Alles andere ist Sand!


Pfarrer Stefan Mai

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